Rainer Maria Rilke – Gedicht

Vorfrühling

Härte schwand. Auf einmal legt sich Schonung
an der Wiesen aufgedecktes Grau.
Kleine Wasser ändern die Betonung.
Zärtlichkeiten, ungenau,

greifen nach der Erde aus dem Raum.
Wege gehen weit ins Land und zeigens.
Unvermutet siehst du seines Steigens
Ausdruck in dem leeren Baum.

Georg Heym – Gedicht

März

Aus der Erde quollen Kräfte,
Die in dunkler Enge schliefen,
In den Wolken gingen Stürme,
Graue Wogen in den Tiefen.

Lange Tage fuhren Winde
Regenschwer vom nahen Meere,
Große Vögel kamen nächtlich
Und verschwanden schnell ins Leere.

Auf dem halbgeborstnen Eise
Schoben sich die schweren Schollen,
Oft wir schraken auf aus Träumen
Von des Stromes dumpfem Grollen.

Sterne glänzten und verschwanden,
Eh wir noch die Schönen schauten,
Fern vom Sturm geläutet klangen
Glocken mit der Märznacht Lauten.

Joseph von Eichendorff – Zitat

„Und das sind die rechten Leser, die mit und über dem Buche dichten. Denn kein Dichter gibt einen fertigen Himmel; er stellt nur die Himmelsleiter auf von der schönen Erde. Wer, zu träge und unlustig, nicht den Mut verspürt, die goldenen, losen Sprossen zu besteigen, dem bleibt der geheimnisvolle Buchstab ewig tot, und er täte besser, zu graben oder zu pflügen, als so mit unnützem Lesen müßig zu gehn.“

Rose Ausländer – Gedicht

Herbstlicher Ausschnitt

Eine schräge Strahlengarbe
schoss vom Himmel wie ein Pfeil,
zeichnete mit goldner Farbe
auf die Erde neues Heil,
sprang im Jubel auf die Dächer,
dass sie wogten wie ein See,
schwang liebkosend einen Fächer
über Dunkelheit und Weh.

Sieh, der Himmel scheint gespalten:
Dort ein düstrer Wolkenstrom
geisterhafter Nachtgestalten;
hier: ein stolzer Sonnendom. –
Fluss und Fenster widerblitzen,
Gassen wiegen sich im Tanz,
und es lächeln selbst die Pfützen
silberklar im jähen Glanz.

Durchgeblättert – „Einer unter 6 Milliarden“ v. Yann Arthus-Bertrand

Sie sind neugierig auf andere Menschen, sie wollten immer schon mal wissen, „was Menschen erleben, träumen und hoffen“?! „Einer unter 6 Milliarden“ ist der Querschnitt in Buchform eines beeindruckenden Projekts.

Yann Arthus-Bertrand gehört zu den berühmtesten Fotografen der Welt. Bekannt wurde er durch sein Werk „Die Welt von oben“ und welches auch indirekt der Auslöser für dieses neue Projekt war. Bei seinen Reisen um die Welt kam er sehr oft mit Menschen ins Gespräch, die ihm ganz offen ihre Alltagsprobleme, Träume, aber auch von ihren Hoffnungen erzählten. Dies spornte ihn an, ein Projekt zu konzipieren, dass Menschen aus den verschiedensten Ländern zu Wort kommen lässt und jedem einzelnen Erdbewohner zeigen soll, wie wichtig es ist, trotz vieler Schwierigkeiten, zusammenleben zu können.

„Einer unter 6 Milliarden“ ist ein Mammutprojek in Zusammenarbeit mit „Good Planet“: 4 Jahre Drehzeit, 75 Länder, 5000 Interviews und 40 Fragen – wie zum Beispiel: Wovon träumten Sie als Kind? Was bedeutet Ihnen die Familie? Was war Ihr schlimmstes Erlebnis? Was bedeutet Ihnen Geld? Und genau diese 40 Fragen findet man am Anfang des Buches, die jeder ganz für sich persönlich beantworten kann. Danach werden die Menschen einzeln, aber als Beispiele für viele andere, vorgestellt. Sie sind offen, ehrlich, mutig, und sehr authentisch. Bei einigen Menschen findet man die Antworten mehrer Fragen – fast wie ein kleines Porträt, bei vielen anderen liest man nur eine Antwort, die jedoch im Vergleich zu anderen Antworten auf die gleiche Frage steht. Dazu kommen die wunderbaren Fotos, sei es in Porträtgrösse oder nur als ganz kleines Passfoto. Der Mensch wird gezeigt in Wort und Bild!

Das Buch ist ein ausserordentliches Panoptikum der Menschen unserer Erde. Es macht neugierig, es klärt auf, es gibt ehrliche Einblicke und es fasziniert. Man trifft Menschen mit ihren Antworten, die sich gegenüber stehen, und sich aber persönlich niemals begegnet sind. Man spürt das unglaublich intensive Gefühl als Leser auch zu diesen 6 Milliarden zu gehören. Und man kann plötzlich entdecken, dass andere Menschen genauso denken und fühlen wie wir selbst, auch wenn sie beispielsweise auf einem ganz anderen Kontinent leben.

„Einer unter 6 Milliarden“ ist ein beeindruckendes im wahrsten Sinne des Wortes  „buntes Bilderbuch“, das 500 Menschen dieser Erde zu Wort kommen lässt. Ein Buch für alle die neugierig sind und Menschen offen begegnen!