Friedrich Hölderlin – Gedicht

Der Sommer

Das Erntefeld erscheint, auf Höhen schimmert
Der hellen Wolke Pracht, indes am weiten Himmel
In stiller Nacht die Zahl der Sterne flimmert,
Groß ist und weit von Wolken das Gewimmel.

Die Pfade gehn entfernter hin, der Menschen Leben,
Es zeiget sich auf Meeren unverborgen,
Der Sonne Tag ist zu der Menschen Streben
Ein hohes Bild, und golden glänzt der Morgen.

Mit neuen Farben ist geschmückt der Gärten Breite,
Der Mensch verwundert sich, dass sein Bemühn gelinget,
Was er mit Tugend schafft, und was er hoch vollbringet,
Es steht mit der Vergangenheit in prächtigem Geleite.

Durchgeblättert – „Marcel Proust für Boshafte“

Boshaftigkeit ist ja nicht gerade eine wirklich positive Tugend. Boshafte Menschen sind nicht leicht zu ertragen, verfolgen in der Regel böse Absichten, haben einen bösen Charakter und agieren in spöttischer Manier zur « Freude » der Umwelt. Man möge es deshalb gar nicht glauben, dass ausgerechnet Marcel Proust, der nur in den höheren Kreisen verkehrte, für « Boshafte » geeignet ist ? Wir werden spätestens nach der Lektüre dieses schmalen Bändchens eines Besseren belehrt.

Rainer Moritz hat sich der « boshaften » Thematik bei Proust angenommen und klärt uns mit diesem kompakten Zitatbüchlein ein wenig auf, das er als Herausgeber und Proustkenner begleitet hat. Wir kennen Rainer Moritz bereits als Autor von anderen Werken, wie zum Beispiel die Romane um Madame Cottard und von seiner Reise zu den « schönsten Buchhandlungen Europas ». In « Marcel Proust für Boshafte » versucht er uns ganz charmant in seinem Nachwort zu erläutern, was eigentlich so alles in der Person Marcel Proust, aber vor allem in seinem grossen Romanzyklus « Auf der Suche nach der verlorenen Zeit » an Boshaftigkeit versteckt ist. Man muss wissen, dass die « Recherche » nicht nur ein Roman, sondern auch eine Art Gesellschaftsstudie ist und sich teilweise durch sehr spöttische und ironische Passagen auszeichnet. (Die hier mit Seitenzahl angegebenen Zitate stammen aus der 7-bändigen Ausgabe!)

Damit wir als Leser den Überblick über das Boshafte nicht verlieren, wurde hier in diesem kleinen Œuvre alles ganz ordentlich nach Rubriken eingeteilt. Es beginnt, wie sollte es auch anders sein, mit dem Thema « Die Frauen » :

« Sie war wie fast alle Frauen : Sie bilden sich ein, ein Kompliment, das man ihnen macht, müsse der reinste Ausdruck der Wahrheit sein und stelle ein Urteil dar, das man unparteiisch fällt und ganz unweigerlich, als handle es sich um einen Kunstgegenstand ohne Beziehung auf eine Person.» (Die Suche nach der verlorenen Zeit, Bd. 4, 511f.)

Wunderbar spöttisch, ja quasi boshaft kann man natürlich jederzeit auch auf « Bekleidungsfragen » reagieren :

« „Irgendwo muss er doch einfältig sein. Sie hat Füsse wie Schleppkähne, einen Bart wie eine Amerikanerin und schmutzige Unterwäsche ! Ich glaube, nicht mal ein kleines Fabrikmädchen würde so etwas anziehen wollen.“ » (Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, Bd. 2, 564)

Bereiche wie « In bester Gesellschaft », « Gesundheitsprobleme », « Ewige Weisheiten », « Die edlen Künste », « Speis & Trank » und « Land & Leute » kommen keinesfalls zu kurz.

Doch äusserst wichtig sind natürlich auch Themenschwerpunkte, wie zum Beispiel « Die Männer ». Auch « Der Körper » wird nicht verschont, sodass manches Problem ohne Umscheife, aber trotzdem mit einer gewissen Contenance angesprochen wird:

« Doch seine Nase hatte, um sich schief über seinen Mund zu stellen, unter allen verfügbaren schrägen Linien vielleicht die einzige gewählt, die auf diesem Gesicht zu ziehen einem selbst nie eingefallen wäre und die ihm eine gewisse Note vulgärer Dummheit gab, die durch die Nachbarschaft eines normannischen apfelroten Teints noch bekräftigt wurde. » (Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, Bd. 4, 459)

Marcel Proust äusserst sich durch seine Helden ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, versucht selbstverständlich immer das gesellschaftliche und sprachliche Niveau zu wahren, kommt aber gerne konkret zur Sache, wie auch das folgende Zitat aus der Rubrik « Liebe, Sex & Co. » bestätigt :

« „Liebe ?“ hatte sie einmal einer prätentiösen Dame auf deren Frage „Was halten Sie von der Liebe ?“ geantwortet. „Liebe ? Mache ich oft, doch drüber reden tu’ ich nie.“ » (Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, Bd. 3, 270)

Tja was können wir da als Leser noch hinzufügen? Wir sollten uns spätestens jetzt nach der Lektüre dieser hervorragend zusammengestellten Zitatauswahl von Rainer Moritz bewusst werden, dass es nun an der Zeit wäre – falls Sie es nicht bereits schon getan haben – , die « Recherche » endlich in Angriff zu nehmen. Sie werden erstaunt sein, wie kurzweilig dieses Mammut-Werk letztendlich ist. Marcel Proust hat eine besondere Gabe, seinen subtilen Spott, als auch seine Geschmacklosigkeiten feinfühlig direkt und äusserst elegant zu formulieren. Dank seiner extrem scharfen Beobachtungen gelingt es Proust, jedes Detail, und wenn es nur ein ganz banaler Smalltalk in der feinen Gesellschaft ist, so zu analysieren, dass dabei gewisse Bosheiten und eine raffiniert verpackte Schadenfreude einem nicht nicht wie ein Orkan um die Ohren fliegen, sondern genau positioniert am richtigen Punkt wie ein Nadelstich ganz „leise“ treffen.

Dieses kleine Buch ist eine ideale Nachttisch-Lektüre, die gerade dann ihren Einsatz findet, wenn man nicht mehr in der Lage ist, lange Passagen bzw. Kapitel zu lesen und man vor dem Einschlafen noch einen literarisch « bösen » Gute-Nacht-Kick benötigt. Auch Marcel Proust konnte ohne Bosheiten nicht leben, wie er hier selbst durch seine « Recherche » erklärt :

« Ich für meine Person muss gestehen, dass mich nichts so amüsiert wie diese kleinen Bosheiten, ohne die ich das Leben einfach öde fände. » (Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, Bd. 2, 248)

Durchgelesen – „Leben und Ansichten von Maf dem Hund und seiner Freundin Marilyn Monroe“ v. Andrew O’Hagan

Wer kennt sie nicht, Marilyn Monroe, eine Ikone, ein Mythos, eine Schauspielerin, aber auch eine sehr verletzliche Frau, die immer auf der Suche war! Bestimmt wären viele Menschen ihr sehr gerne nahe gewesen, wie eine Freundin bzw. ein Freund oder besser noch wie ein Hund, der er ihr treu ergeben wäre, aber auch sich instinktiv um ihr Seelenheil kümmern würde. Umso mehr freuen wir uns als Leser, nun die literarische Bekanntschaft mit genau so einem vierpfotigen und bellenden Begleiter machen zu dürfen, der uns das Leben an der Seite von Marilyn Monroe auf äusserst intellektuelle und empathische Weise erläutert.

Dieses grandiose Buch über eine unglaubliche « Freundschaft » schenkt uns Andrew O’Hagan (geboren 1968 in Glasgow). Er zählt zu den neuen aufstrebenden und inzwischen auch wichtigsten Schriftstellern Grossbritanniens und ist Creative Writing Fellow am King’s College London. Seine Erzählungen und Romane wurden bereits in 15 Sprachen übersetzt und seine Essays und Artikel erscheinen unter anderem in der London Review of Books, New York Review of Books, The Guardian und im New Yorker. Darüberhinaus ist er auch noch als Botschafter bei UNICEF tätig. Mit seinem Roman « Leben und Ansichten von Maf dem Hund und seiner Freundin Marilyn Monroe », der bereits 2010 in Grossbritannien erschienen ist, gewann er den Glenfiddich Spirit of Scottland Award.

Die Geschichte wird aus der Sicht des Hundes rückwirkend erzählt und beginnt 1960 in Grossbritannien. Ein kleiner weisser, reinrassiger Malteserhund erblickte das Licht der Welt in Charleston. Er wuchs bei der Schwester von Virginia Woolf auf und wurde liebevoll von deren Haushälterin Mrs Higgins betreut. Doch lange sollte er nicht in England bleiben, sondern nach Amerika reisen. Eines Tages erwartete man die Hundeliebhaberin Mrs. Gurdin, eine russische Emigrantin und Mutter des Filmstars Natalie Wood, die sich sehr für Malteser interessierte, denn bei dieser Rasse handelte es sich um ganz besondere Hunde:

« Jeder Hund, der sein Futter wert ist, ist ein Quell der Expertise, was seinen Stammbaum angeht. Uns Maltesern – dem bichon maltais, dem Hund der römischen Damen, dem alten King Charles Spaniel, dem Malteser Löwenhund oder Malteser Terrier – lässt man es durchgehen, das wir uns für die Aristokraten der Hundewelt halten. »

Mrs. Gurdin brachte den weissen Malteser mit einem kleinen Zwischenstopp in London per Pan-American-Flug nach Los Angeles. Aber nicht nur der Malteser noch ein paar andere Hunde wurden von Mrs. Gurdin aufgenommen. Die Fahrt von der Quarantänestation entwickelte sich zu einem interessanten « Gesprächsaustausch » so unter Vierbeinern, ein Schnauzer äusserte sich dabei ganz konkret :

« “ In Wahrheit wissen die Menschen, dass wir sie studieren“, sagte er, “ und die schlauen wissen auch, dass wir über sie reden. Die Menschen sind nicht dumm. Sie verhalten sich nur so, als ob sie es wären.“ »

Jetzt galt es die Zeit ein wenig zu überbrücken, bis dieser Malteser endlich sein neues Frauchen kennenlernen durfte. Es dauerte nicht lange und Natalie Wood – Tochter v. Mrs. Gurdin – erklärte ihrer Mutter, dass Frank Sinatra einen Hund kaufen möchte und bald vorbeikäme. Frank holte den Hund persönlich ab :

« „He, ich war etwas daneben, Freund“ sagte er, streichelte und schnippte mein Ohr. “ Ich hätte hallo sagen sollen, als ich gekommen bin. He, Junge. Du bist das Geschenk für Marilyn.“ »

Und so begleitete der Malteser zuerst Frank in sein Haus und war mehr als pikiert über die Wohnsituation, die Farben und den Umgangston von Frank. Da konnte man als Hund nur noch überleben, wenn man sich an die grossen Philosophen wie beispielsweise Descartes erinnerte und Autoren wie Adorno einem immer wieder in den Sinn kamen. Endlich ging es nach ein paar Tagen per Privatflugzeug mit Frank Sinatra nach New York und der Malteser konnte nun bald seine neue « Freundin » treffen. Bereits die Dienstboten hatten bei der Begrüssung von Frank ihre Entzückungsrufe über diesen Hund ausgedrückt und auch Marilyn konnte ihre Begeisterung kaum zurückhalten und freute sich sehr über dieses « tierische » Geschenk. Er gefiel ihr sofort, sie meinte er hätte Stil und Charme und wäre ein stattlicher kleiner Bursche. Jetzt fehlte nur noch der passende Name :

« „Er ist ein hartgesottener kleiner Kerl, nicht war ? Ich werde ihn Mafia nennen – Mafia Honey.“ »

Der Malteser wurde nun Mafia Honey genannt, kurz einfach nur Maf. Er war glücklich, endlich nach so vielen Reisen bei seinem richtigen Frauchen angekommen zu sein. Er hatte sich schnell heimisch gefühlt, wurde buchstäblich mit den besten Köstlichkeiten verwöhnt, als würde er im Paradies leben. Doch trotz dieser vielen Annehmlichkeiten, liess er sich nicht ablenken und versuchte Marilyn und ihre drei « Leben » als Mensch, Frau und Filmstar genauer unter die Lupe zu nehmen, sie zu beobachten, zu verstehen und in schwierigen Situationen zu unterstützen und zu trösten. Nach kurzer Zeit spürte Maf, dass die Trennung zwischen Arthur Miller und Marilyn Monroe nicht spurlos an seinem Frauchen vorübergegangen war. Doch trotz allem wurde auch ein Hauch von Befreiung erkennbar, der sowohl Marilyn als auch ihm, als Hund und treuen Gefährten gut tat :

« Marilyn nahm mich überallhin mit. Wir hatten grossen Spass dabei, die Avenues entlangzugehen, Marilyn trug manchmal ein Kopftuch und eine Sonnenbrille, niemand erkannte sie, und wir liefen mit offenen Mündern gegen den Wind und hungerten nach Erfahrungen. Ich glaube, uns war ein Gespür für die Nöte der Zeit gemeinsam, der Instinkt, die Distanz zwischen oben und unten aufzuheben, etwas, was sich im Lauf der entwickelte und die Tiefe unserer Freundschaft erklärte. »

Und so begann die fast zwei Jahre andauernde « Freundschaft » zwischen Marilyn Monroe und dem Malteser Maf, die geprägt war durch absolutes Vertrauen, da Maf ein wahrer « Hunde-besitzerinnenversteher » war, und sich auszeichnete durch eine bedingungslose Offenheit, die es sicherlich in dieser Form selten unter Menschen geben kann und wird…

Maf, der Hauptprotagonist, dieses Romans hatte nun die Ehre einer Ikone, eines Stars wie Marilyn Monroe, sehr nahe zu sein. O’Hagan hat mit dieser vierbeinigen « Figur » einen wahren Glücksgriff erzielt. Es ist eine absolut grandiose Idee, Marilyn Monroe aus der Sicht eines Hundes zu charakterisieren, zu erleben, zu beschreiben, quasi hautnah kennenzulernen. Unvoreingenommen kann der Hund all seine Gedanken in den Raum stellen, über die Filmbranche, die Politik und vieles andere nicht nur Tacheles reden, sondern sich auch auf philosophische Weise lustig machen. Es wird ihm keiner verüblen, vor allem nicht sein Frauchen, selbst dann nicht, wenn er aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zwischen Hund und Mensch – seine « Freundin » natürlich ausgeschlossen -, dem « Zweibeiner » als Reaktion mit seinen Zähnen einen klaren « Kommentar » in der Wade hinterlässt.

Diese Kunst, den Hund sprechen, ja fast schon « Mensch » werden zu lassen, mag ein Autor in dieser brillanten Form nur dann zu realisieren, wenn er sich in der Hunde- und Filmwelt auskennt. Dieser Roman ist keinesfalls eine leichte Geschichte aus Hundeperspektive. Umso wichtiger ist es, dieses Buch nicht falsch einzuschätzen. Dieses Werk ist äusserst anspruchsvoll, das mit Ruhe und Aufmerksamkeit gelesen werden sollte. Denn nur dann kann man die Affinität von Maf zur europäischen Kultur, die vielen Literatur-Zitate und die « belesene » Dekadenz dieses Hundes verstehen und aufnehmen. Und dieser Roman ist nicht nur eine Teilbiographie von Marilyn Monroe als Einzelperson, es die Geschichte des intellektuellen Amerikas Anfang der 60ziger Jahre, die durch viele Persönlichkeiten aus Literatur, Film und Politik beeinflusst wurde.

« Leben und Ansichten von Maf dem Hund und seiner Freundin Marilyn Monroe » ist ein absolut unvergleiches, aussergewöhnliches und faszinierndes Porträt einer der brühmtesten Blondinen der Welt. Es eignet sich nicht nur für jeden Literaturliebhaber, der auch einen Faible für Marilyn Monroe hegt, Hunde als die besten Freunde des Menschen ansieht und offen ist für einen subtil intelligenten Witz und philosophischen Sarkasmus. Besonders aktuell anlässlich des 50. Todestages am 5. August 2012 von Marilyn Monroe ist dies ein ideales Buch für besonders kulturinteressierte Menschen, welche dieser Frau auf einer sehr klaren, aber äusserst liebenswerten und literarisch empathischen Weise nochmals oder vielleicht auch zum ersten Mal lesenderweise begegnen möchten.