Robert Gernhardt – Gedicht

„Theke – Antitheke – Syntheke“ von Robert Gernhardt

Beim ersten Glas sprach Husserl:
„Nach diesem Glas ist Schlusserl.“

Ihm antwortete Hegel:
„Zwei Glas sind hier die Regel.“

„Das kann nicht sein“, rief Wittgenstein,
„Bei mir geht noch ein drittes rein.“

Worauf Herr Kant befand:
„Ich seh ab vier erst Land.“

„Ach was“, sprach da Marcuse,
„Trink ich nicht fünf, trinkst du se.“

„Trinkt zu“, sprach Schopenhauer,
„Sonst wird da sechste sauer.“

„Das nehm ich“, sagte Bloch,
„Das siebte möpselt noch.“

Am Tisch erscholl Gequietsche,
still trank das achte Nietzsche.

„Das neunte erst schmeckt lecker!“
„Du hast ja recht, Heidegger“,

rief nach Glas zehn Adorno:
„Prost auch! Und nun von vorno!“

Durchgeblättert – „Bibliomania“ v. Steven Gilbar

„Ein listenreiches Buch über Bücher.“

Spannendes, Lehrreiches, Triviales, Originelles, Amüsantes über Literatur, Autoren, Buchhandlungen, Bibliotheken, Bibliophile, Bücherwürmer, Leser und solche die es noch werden wollen.

Kurzweilig, praktisch und vergnüglich, vor allem durch die versammelten Zitate, wie zum Beispiel von John Osborne: „Auch das schlechteste Buch hat seine gute Seite: die Letzte.“

Da ist die Gefahr, an „Bibliomanie“ zu erkranken, sehr gross!

Durchgelesen – „Die Frau in der hinteren Reihe“ v. Françoise Dorner

Ein wunderbares Buch über die besondere Kunst einer Frau, ihren Mann auf ganz aussergewöhnliche Art und Weise zu verführen.

Nina und ihr Mann besitzen in Paris einen Zeitungskiosk und müssen deshalb täglich sehr früh aufstehen. Um drei vor fünf morgens klingelt der Wecker, damit auch noch in drei Minuten die ehelichen Pflichten absolviert werden können, denn ab fünf Uhr  wartet schon der Zeitungsgrosshändler. Der Alltagstrott begleitet sie seit Jahren und ihre Ehe leider darunter immer mehr. Eine insgesamt unbefriedigende Situation, vor allem  für Nina.

Wo sind die Abenteuer, die die Zeitschriften versprechen, welche Nina täglich verkauft? Sie führt ein glanzloses Leben und das muss sich ändern. Sie lernt einen interessanten Mann kennen, der ihre weiblichen Fähigkeiten ganz neu wiederentdeckt. Und ab diesem Zeitpunkt entschliesst sich Nina, ihren Ehemann zu verführen, den sie immer noch liebt.

Sie macht sich schön, verkleidet sich und trifft im Kino ihren Mann wieder, der sich in eine fremde Frau verliebt, die genau einige Reihen hinter ihm während der Vorstellung sitzt. Jedoch ohne zu wissen oder nur zu erahnen, dass dies seine eigene Frau ist. Und das ist der Beginn einer „fatalen“ Liebesgeschichte….

„Eine Hymne auf die Sinnlichkeit der Frauen“, so schreibt die Zeitschrift Lire. In Frankreich wurde der Roman gleich nach Erscheinen im Jahr 2004 dann auch mit dem Prix Goncourt du Premier Roman ausgezeichnet. Ein amüsantes, aber auch kluges Buch voller Leidenschaft, Träume und Liebe.

Durchgeblättert – „Heimliche Gedichte“

„Ein Theaterstück ist der Mittelstreckenlauf, Prosa ist Marathon und Lyrik Hochsprung“, das sagte bereits Friedrich Dürrenmatt und das könnte auch die Maxime dieses wunderbaren Lyrikbandes sein.

Heimliche Gedichte, so heisst eine Anthologie, die Gedichte von Romanciers uns entdecken lässt, die teilweise zum ersten Mal auf deutsch oder in Buchform erschienen sind.

Diese literarischen Bijoux (immer in Originalsprache und der deutschen Übersetzung) werden hier in dieser ungewöhnlichen Auswahl dem Leser näher gebracht.

Der Leser wird überrascht von Prosaautoren wie Robert Musil, Joseph Roth, Raymond Chandler, Indrid Noll, Paul Auster, John Updike, James Joyce, Philippe Djian und vielen anderen.

Auch John Iriving hat ein einziges Gedicht geschrieben, und Alan Sillitoe hat gleich mehrere Gedichte verfasst, obwohl er der Meinung war, dass Romanciers keine guten Gedichte schreiben können, und diese Einschätzung hat er dann auch gleich als Gedicht umgesetzt:

„Schreib keine Gedichte,
Sagte der Rezensent.
Erzähl eine Geschichte,
Das sind die Sachen
Für die man dich kennt.

Unsinn, sagte ich.
Du spinnst.
Leck mich am Arsch.
Du kannst mich mal.
Verpiss Dich.
Hau ab.

Na, ist das ein Gedicht?

Er sagte: Reimt sich nicht.“

Heimliche Gedichte, ein wunderbares Buch für Lyrikliebhaber und für Leser, die schon alles haben. Ein kleiner Prachtband mit verborgenen Schätzen zum Geniessen, Staunen und Amüsieren.

Durchgelesen – „Wie ein Roman“ v. Daniel Pennac

Keine Lust auf Bücher und Lesen, und das noch am Welttag des Buches! Dieser Roman ist eine Einladung zur Lektüre. Er weckt nicht nur auf pädagogische, sondern viel mehr auf amüsant witzige Weise die Freude am Lesen. Und die beste Überzeugungsarbeit dazu leisten

Die unantastbaren Rechte des Lesers:

„1. Das Recht, nicht zu lesen.

2. Das Recht, Seiten zu überspringen.

3. Das Recht, ein Buch nicht zu Ende zu lesen.

4. Das Recht, noch einmal zu lesen.

5. Das Recht, irgendwas zu lesen.

6. Das Recht auf Bovarysmus, d.h. den Roman als Leben zu sehen.

7. Das Recht, überall zu lesen.

8. Das Recht, herumzuschmökern.

9. Das Recht, laut zu lesen.

10. Das Recht, zu schweigen.“

William Shakespeare – Gedicht

„Sonette 146“ – von William Shakespeare

Ach Seele, Mitte meiner sünd’gen Erde,
umgeben rings von feindlicher Gewalt,
was darbst im Innern du, erträgst Beschwerde
und zierst doch deine äussere Gestalt?

Was willst du bei so kurz bemessner Pacht
auf dein zerfallend Haus so viel verschwenden?
Soll denn der Wurm als Erbe dieser Pracht
dein Gut verzehren? Derart musst du enden?

Nein, lebe du auf deines Knechtes Kosten;
soll er nun darben, du hast den Gewinn;
lass Himmelszeit dich Trödelstunden kosten,
sei innen satt, den äussern Prunk wirf hin:

Vom Tode zehrst du, wie vom Leben er,
und starb der Tod, so ist kein Sterben mehr.

Durchgelesen – „Die Leinwand“ v. Benjamin Stein

Dies ist ein ungewöhnliches und fesselndes Buch, das um die Frage nach der Verlässlichkeit der Identität und  der Erinnerung kreist.  Es ist ein Buch, das hinter jedem einzelnen Buchdeckel eine eigene Geschichte versteckt. Doch in der Mitte kommt es zur Konfrontation der beiden Erzähler.

Die eine Geschichte erzählt aus der Perspektive von Amnon Zichroni. Er wird sehr streng jüdisch erzogen, erkennt im Laufe seiner Jugend seine besondere Begabung „Erinnerungen anderer Menschen“ nachzuerleben und bringt diese dann auch in seinem Studium der Psychologie und Psychiatrie ein. Als Pychoanalytiker lässt er sich in Zürich nieder und trifft dort auf den Geigenbauer Minsky. Zichroni überredet ihn, seine traumatischen Kindheitserinnerungen im NS-Vernichtungslager schreibenderweise zu verarbeiten. Jedoch erscheint kurz darauf ein Buch, in dem der Journalist Jan Wechsler behauptet, das dies alles erfunden sei.

Die andere Geschichte aus der Perspektive von Jan Wechsler beginnt mit dem Auftauchen eines mysteriösen Koffers. Wechsler wächst in der DDR auf, ist auch Jude und erlebt strenge Regeln in seinem damaligen jüdischen Viertel in Ostberlin. Es wird ihm eines Tages ein Koffer zugestellt, den er bei seiner  angeblich letzten Israel-Reise verloren haben soll. Er kann sich jedoch an nichts erinnern. Doch nachdem er den Koffer öffnet, entdeckt er ein Buch mit dem Titel „Maskeraden“ von Jan Wechsler und er ist total verwirrt. Er reist deshalb nach Israel, wird jedoch auf dem Flughafen in Gewahrsam genommen und verhört, da sein damaliger Gastgeber Zichroni als vermisst gilt.

Zwei Personen und zwei Leben, die sehr viele Gemeinsamkeiten haben. Sie sind Juden, sie wachsen mit wenig Freiheiten auf und für jeden von ihnen ist ein Buch von unglaublicher Bedeutung. Für Zichroni war es „Das Bildnis des Dorian Grey“ von Oscar Wilde und für Wechsler George Orwell’s „1984“. Wegen dieser Parallelen stellen sich hier die Fragen: Wer ist Wer? Was ist Erinnerung, was ist Wahrheit? Der Leser wird in ein Labyrinth geführt, doch wo ist er Ausgang?

Ein sehr spannender und anspruchsvoller Roman, der den Leser sofort in seinen Bann zieht. Ein Buch das auf sehr informative, aber unglaublich amüsante Weise, Einblicke in das jüdische Leben gibt. Ein Werk, das den Leser fordert und gleichzeitig auf sehr niveauvolle Art unterhält.

Durchgelesen – „Die Überlebensbibliothek“ v. Rainer Moritz

Rainer Moritz – Leiter des Hamburger Literaturhauses und Vorstandsmitglied der Marcel Proust Gesellschaft – schreibt in seinem wunderbaren Werk, wie viele Romane die Macht haben, uns und unser Leben zu verändern. Romane sind unsere Freunde, unsere Seelentröster, zum Teil unsere Therapeuten.

In verschieden kleinen Lebens-Kapiteln zeigt uns Rainer Moritz, die dazu passende Lektüre. Im Bereich „Mit sich selbst klar kommen“, sollte beispielsweise wer sich selbst unterschätzt, „Das hässliche Entlein“ von Hans Christian Andersen lesen; oder im Kapitel: „Mit Schwächen und Lastern leben“, sollte man sich bei Eifersucht mit Marcel Proust, „Eine Liebe von Swann“ beschäftigen. Oder im Kapitel: „Mit anderen Menschen zurechtkommen (oder auch nicht)“, wäre es für denjenigen, der beabsichtigt mit seiner Mutter dauerhaft zusammenzuleben, sinnvoll „Die Klavierspielerin“ von Elfriede Jelinek zu lesen.

Kurzum für jede Befindlichkeit, für jeden Seelenzustand, für jede Lebensveränderung, findet Rainer Moritz, das passende Buch, denn er ist der Überzeugung, dass Bücher wahre Hilfe leisten.

„Die Überlebensbibliothek ist ein Plädoyer für die Macht der Lektüre“ bestägtigt er selbst.

Es ist wie ein kleines Lebenshilfe-Handbuch, das Leben und Literatur auf sehr mutige und angenehme Weise verbindet. Es liest sich wie der literarische Beipackzettel und kann ohne Einnahme der Tabletten gleich als Therapie verwendet werden. Und es hilft dem Leser, bekannte und weniger bekannte Literatur wieder neu zu entdecken.

Durchgelesen – „Die Eleganz des Igels“ v. Muriel Barbery

Dieser wundervolle in Paris spielende Roman hat zwei Heldinnen:

Die Eine ist Renée, 54 Jahre alt,  seit 27 Jahren Concierge in der 7, rue Grenelle, einem herschaftlichen Stadthaus im noblen 7. Arrondissement. Sie sagt selbst über sich:

„Ich bin Witwe, klein hässlich, mollig, ich habe Hühneraugen und in gewissen Morgenstunden einen Mundgeruch, wie ein Mammut. Doch vor allem entspreche ich so genau dem Bild, das man sich von den Conciergen macht, dass niemand auf die Idee käme, ich könnte gebildeter sein als all diese selbstgefälligen Reichen.“

Und genau dies trifft zu. Aber Renée versteckt es. Sie lässt in ihrer Loge den Fernseher mit den für eine Concierge üblichen Sendungen ganz laut laufen, und hört in dieser Zeit im Hinterzimmer klassische Musik oder liest Camus, Tolostoi und philosophische Bücher. Sie interessiert sich für Kunst und die Weltliteratur, achtet jedoch darauf, dass es keiner der Bewohner mitbekommt.

Die zweite Heldin ist Paloma, ein zwölfjähriges Mädchen. Sie wohnt mit ihren Eltern und ihrer Schwester auch in der 7, Rue de Grenelle, in einer Wohnung nur für Reiche. Doch sie fühlt sich nicht verstanden und ist sehr einsam:

„Doch ich weiss schon lange, dass die Endstation das Goldfischglas ist, die Leere und der Unsinn des Erwachsenlebens.Warum ich das weiss? Der Zufall will, dass ich sehr intelligent bin. Daher habe ich meinen Entschluss gefasst: Am Ende dieses Schuljahres, an meinem dreizehnten Geburtstag, werde ich Selbstmord begehen.“

Das wäre ihre Plan, aber das Leben ändert sich in diesem Haus. Renée ’s Versteckspiel wird auch bald aufgedeck, durch den eleganten Japaner Ozu, der die freigewordene Wohnung bezieht. Als Feingeist erkennt er sofort ihre Intelligenz und die beiden freunden sich. Es könnte mehr daraus werden…

Ein kluger und sensibler Roman über Intelligenz, Schönheit und den Lebenssinn. Kein Buch für zwischendurch, eine anspruchsvolle Lektüre für Leser, die gerne etwas dazulernen wollen bzgl. Literatur, Kunst und Philosophie. Ein Buch voll Paris und ihren Menschen, geschrieben in einer sehr einfühlsamen und weisen Sprache.

Durchgelesen – „Hotel Bosporus“ von Esmahan Aykol

Kein hoch literarisches Werk, aber eine sympathische Protagonistin, namens Kati Hirschel, deutsche Buchhändlerin und Besitzerin eines Krimibuchladens in Istanbul.

Es geht um den Mord eines Regisseurs, der mit den Dreharbeiten einer deutsch-türkischen Koproduktion beschäftigt war. Kati Hirschel ist mit der Hauptdarstellerin des Films befreundet und sieht nun ihre erste Chance als Detektivin in Aktion zu treten.

Ein Roman, in dem es um deutsch-türkische Vorurteile geht, die aber mit Leichtigkeit und Humor einfach weggewischt werden. Es geht um internationale Verbrechen und grenzüberschreitende Freundschaften.

Ein Roman über Istanbul, Politik, Männer und Korruption! Spannend und humorvoll zu gleich!

Durchgeblättert – „Bibliotheken“ v. Candida Höfer

Candida Höfer – in der Nähe von Berlin geboren – gehört zu den wichtigsten deutschen Künstlerinnen, die im Bereich der Photographie arbeiten. Sie wurde durch zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen international bekannt. Ihr Markenzeichen sind menschenfreie Bilder. Es geht nur um den Raum, vor allem um öffentliche Räume.

Dies ist eine Monographie, die sich nur Bibliotheken widmet. Unterschiedliche Bibliotheksräume bezüglich Grösse und Alter werden aus allen Ecken der Welt gezeigt. Wie zum Bespiel die Trinity Library von Dublin, die Bibliothèque Nationale de France, die Villa Medici in Rom und die Weimarer Anna Amalia-Bibliothek (noch vor der Brandkatastrophe). Die Bilder sind geprägt von einer aussgerwöhnlichen Sachlichkeit und Einfachheit. Dadurch kommen die Besonderheiten der Bibliotheken noch deutlicher zum Vorschein.

Mehr als 130 Farbphotographien – ergänzt durch ein brillantes Essay von Umberto Eco – bietet dieser anspruchsvolle Bildband! Ein kostbares Buch für Büchernarren und Literaten!

Durchgelesen – „Mein Leben mit Sartre“ v. Liliane Siegel

Ein ganz besonderes Buch, vor allem, wenn man sich für Sartre als Person, Mann und Autor interessiert, eine Biographie der besonderen Art. Liliane Siegel, entstammt einer jüdischen Familie, die sich während der deutschen Besatzung in Paris verstecken musste.

1960 liest sie während einer depressiven Phase Sartre, unter anderem den Satz “ Versucht nicht, eurem Unheil zu entweichen, findet seine Ursachen und zerschlagt sie“, und schreibt daraufhin Sartre einen Brief. Dies ist dann der Auftakt einer lebenslagen Freundschaft, die er vor all seinen anderen Frauen geheim hält, nur Simone de Beauvoir wusste davon. Erst nach zehn Jahren bekennt er sich zu ihr und macht sie zur Mitredakteurin seiner legendären Zeitschrift „La Cause du Peuple“.

Das Buch ist ein sehr persönlicher Bericht Liliane Siegels, die es Sartre verdankt, ihre traumatischen Kindheitserfahrungen zu überwinden. Es ist ein sehr persönliches Dokument, das dem Bild des politisch engagierten Schriftstellers eine sehr menschliche Facette hinzufügt.

Ein kleines feines Buch, sehr emotional und bewegend!

Robert Gernhardt – Gedicht

„Leiden und Leben und Lesen und Schreiben“ von Robert Gernhardt

Ich will alles sagen dürfen,
Wort aus jeder Wunde schürfen:

Scheiss der Hund drauf, das Gelingen
lässt sich einfach nicht besingen.

Wer will vom Gelingen lesen?
Höchstens reichlich flache Wesen.

Lieber sprech ich doch zu jenen,
die sich nach was Tiefem sehnen.

Die, wenn die Geschäfte laufen,
gerne etwas Schicksal kaufen.

Seiten voller Schmerz und Wunden
adeln allzu satte Stunden.

Verse voller Pein und Leiden
nützen letzten Endes beiden:

Die da bluten, die da blättern,
beide sehnen sich nach Rettern.

Deshalb muss es beide geben,
die da leiden, die da leben.

Die da lesen, soll man rühren
weiter sowie höher führen.

Und die andern, wir, die schreiben,
sollten auf dem Teppich bleiben.

Durchgelesen – „Vindings Spiel“ v. Ketil Bjornstad

Dies ist ein spannender und gleichzeitig sehr einfühlsamer Roman über die Liebe zur Musik und über das Erwachsenwerden.

Die Geschichte spielt in Norwegen in den sechziger Jahren. Der Protagonist in diesem Roman ist der fünfzehnjährige Aksel Vinding, der auch als Ich-Erzähler fungiert. In seiner Familie gibt es immer Ärger, mit seinen Eltern und mit seiner älteren Schwester. Und dann passiert auch noch ein Unglück. Bei einem Badeausflug ertrinkt seine eher lebensfrohe und sorglose Mutter.  Dies ist ein Drama für die ganze Familie, und Aksel kann mit dem Verlust und der Trauer nur sehr schwer umgehen.

Er beschliesst deshalb, die Schule abzubrechen und entscheidet sich nur noch für das Klavierspiel. Mit dieser Entscheidung fühlt er sich ihr am Nächsten, denn seine Mutter hat es ihm beigebracht und die Liebe zur Musik vermittelt. Er spielt Tag und Nacht, um zu vergessen, aber auch um Pianist zu werden. Es dauert nicht lange und er taucht ein in die Welt der jungen Künstler und lernt dabei die junge sensible und hochbegabte Anja Skoog kennen.

Fortan besteht sein Leben aus Ravel, Chopin, Beethoven, aus Konzertdebüts, Wettbewerbe und Konkurrenz. Er verliebt sich in Anja und entdeckt ein Geheimnis in ihrer Familie. Und er spürt auch, dass der Stress mit Konzertagenturen und der Druck im Allgemeinen ihn an seine Grenzen bringt.

Bjornstad beschreibt wunderbar die Liebe zur Musik, was sie aus den Menschen macht und wie weit man mit der Musik gehen kann. Ein Liebesroman, eine brillant erzählte Hommage an die Musik und ein kenntnisreicher Roman über die Musikszene in den Sechzigern. Ein Buch voller Gefühl, Leidenschaft und Melancholie!

Durchgelesen – „Tausend kleine Schritte“ v. Toni Jordan

Dies ist eine aussergewöhnliche Lebensgeschichte. Eine Geschichte über ein Leben, das geprägt wird von Zwängen.

„Alles zählt.“

Mit diesem kurzen und sehr wichtigen Satz beginnt dieser beeindruckende Roman. Es geht um eine junge Frau (35 Jahre ), die seit ihrem 8. Lebensjahr alle Dinge in ihrem Leben zählt. Die Buchstaben ihres Namens, die Treppenstufen, die Bücher im Regal, sogar die Borsten ihrer Zahnbürste. Und das Wichtigste noch dazu ist, dass sie auch noch eine Vorliebe für bestimmte Zahlen hat, wie die 10, 100 und 1000. Aus diesem Grund wird sie komplett aus ihrem „Zwang“-Rhythmus geworfen, als sie an einer Supermarktkasse steht und nur 9 Bananen in ihrem Einkaufskorb hat. Kurzerhand nimmt sie die einzige Banane ihres Hintermannes weg und legt sie in ihren Korb, damit alles seine Ordnung hat.

Dieser Mann verfolgt sie auf dem Parkplatz des Supermarkts und stellt sie zur Rede. Kurz darauf trifft sie ihn in ihrem Café wieder, und er wagt es auch noch sich an ihren Tisch zu setzen. Seamus Joseph O’Reilly spürt während dieses Gesprächs, dass etwas mit Grace nicht stimmt und erkennt ihre Zwangsneurose. Er interessiert sich für sie, er bringt alles in ihrem Leben durcheinander. Er glaubt, dass Grace mit ihm glücklicher werden könnte, als mit ihren Zahlen,  deshalb lässt sie sich auch nochmals auf eine neue Therapie ein. Doch leider verläuft die Therapie nicht so, wie sie sich das erhofft hatte…

Dieser Roman konfrontiert den Leser auf amüsante und humorvolle Weise mit einem durch Zwangsneurosen dominierten Leben. Gleichzeitig ist es noch eine sehr anrührende Liebesgeschichte und ein grossen Plädoyer für mehr Toleranz gegenüber psychisch kranken Menschen. Ein heiteres und sehr lesenswertes Buch!

Kurt Tucholsky – Gedicht

Ostern

Da ist nun unser Osterhase-!
Er stellt das Schwänzchen in die Höh
und schnuppert hastig mit der Nase
und tanzt sich einen Pah de döh!

Dann geht er wichtig in die Hecken
und tut, was sonst nur Hennen tun.
Er möchte sein Produkt verstecken.
um sich dann etwas auszuruhn.

Das gute Tier-! Ein dicker Lümmel
nahm ihm die ganze Eierei
und trug beim Glockenbammelbimmel
sie zu der Liebsten nahebei.

Da sind sie nun. Bunt angemalen
sagt jedes Ei: „Ein frohes Fest!“
Doch unter ihren dünnen Schalen
liegt, was sich so nicht sagen lässt.

Iss du das Ei! Und lass dich küssen
zu Ostern und das ganze Jahr …
Iss nur das Ei! und du wirst wissen
was drinnen in den Eiern war-!

Durchgelesen – „Die nachdenklichen Hühner“ v. Luigi Malerba

Ein entzückendes Buch nicht nur zur Frühlings- und Osterzeit. Nein, es ist ein Ganz-Jahres-Buch für alle Leser, die Hühner einfach sympathisch finden, mehr über sich und das Leben wissen wollen.

Es handelt sich hier nicht nur um Kurzgeschichten aus dem Alltag eines Hühnerhofs, sondern wie bereits Italo Calvino – auch ein sehr bekannter italienischer Autor sagte, um „die endliche Entdeckung der menschlichen Seele in all ihren hühnerhaften Aspekten“. Wir finden hier : “ Ein grössenwahnsinniges Huhn, Ein dekadentes Huhn, Ein Philosophenhuhn, Ein römisches Huhn, Ein hungriges Huhn“, etc.

Doch mir persönlich gefällt unter anderen am Besten:

EIN ANALPHABETISCHES HUHN setze sich mit einem Stück Zeitung mitten in den Hühnerhof und tat, als würde es lesen. Was passiert in der Welt? fragten die Mithühner. Um keinen Fehler zu machen, erklärte das analphabetische Huhn, es passiere nie etwas. Bis ihm eines Tages ein ungeduldiges Huhn einen so heftigen Tritt versetzte, dass es über die ganze Wiese kollerte und dann sagte: Jetzt ist was passiert, mal sehen, ob es die Zeitung diesmal bringt.“

Ein philosophisch heiteres Buch zum Schmuzeln und zum immer wieder in die Hand nehmen. Vor allem die wunderschöne in Leinen gebundene Ausgabe von Wagenbach gibt dem kleinen Werk noch eine besondere Note. Für mich ein echtes Kultbuch!